Harpstedt (jk): Torben Kluwe (29) hat schon
als kleiner Junge davon geträumt: "Ich möchte
einmal im Führerstand einer großen fauchenden Lokomotive
stehen und durch die Welt dampfen." Doch oft kommt es anders
als man denkt und der Berufsweg wird kein Schienenweg. So auch
bei Torben K.: Er wurde Ingenieur bei einer Weltfirma.
Doch er ist trotzdem Lokführer - im Ehrenamt.
Daneben ist er auch noch Heizer, Schaffner, Zugführer, Mechaniker
oder was "seine" Historische Kleinbahn "Jan Harpstedt"
- betrieben von den Delmenhorst-Harpstedter Eisenbahnfreunden
e.V. (DHEF) - gerade braucht.
An einem guten Dutzend Wochenenden zwischen
Mai und Oktober und dann noch einmal zur Weihnachtssaison stehen
er und etwa 15 weitere begeisterte Hobby-Eisenbahner bereit um
die Lok 2, ein Industrie-Dampfross von 1955 mit angehängtem
historischem Wagenmaterial der Holzklasse oder aber den Triebwagen
121 "Jan Harpstedt" aus dem Jahre 1940 auf die alten
Schienen zwischen Harpstedt und Delmenhorst oder sogar bis Lemwerder
zu bringen.
Das ist nicht so einfach, wie es sich anhört,
zumindest was die Dampflok betrifft. "Die braucht schon
Fingerspitzengefühl um ohne zu mucken die 22 Kilometer lange
Strecke zu bewältigen", erzählt der Lokführer.
"Um pünktlich um 9 Uhr von Harpstedt losdampfen zu
können, muss sie bereits gegen 5 Uhr angeheizt werden."
Somit sind die Möglichkeiten des Zugteams, am Wochenende
auszuschlafen, begrenzt. Dann geht es den ganzen Sonntag lang
hin und her und jeder ist am Ende des Tages froh, wenn so gegen
21 Uhr die Lok wieder heil im Schuppen steht, die Waggons abgestellt
sind und endlich Feierabend ist.
Dazu kommt, dass jeden Sonnabend - auch außerhalb der Saison
- Werkstatt-Tag ist, den Torben Kluwe in seiner weiteren Funktion
als Werkstattleiter organisiert und mit seinen Mitstreitern auch
durchführt. Hier gilt es, die betagten Personenwagen zu
reinigen und zu reparieren, noch ältere Waggons wieder fahrtüchtig
zu machen und die notwendigen Wartungsarbeiten an der Lokomotive
auszuführen.
Wie kam es nun aber dazu, dass Torben K. sich
seinen Kindheitstraum erfüllen konnte:
"Das Interesse an der Eisenbahn hat mein
Opa begründet, der Lokführer war. Mein Wunsch, bei
einer Museumseisenbahn mitzuwirken, wurde durch einen Schulausflug
in der 3. Klasse geweckt", erzählt er. Bis es soweit
war, musste der kleine Torben jedoch noch etwas wachsen und wurde
dann mit 13 Jahren Mitglied bei den DHEF. Zu dieser Zeit hatte
der Verein nur paar eigene Wagen und fuhr mit dem Triebwagen
T 121 der Delmenhorst - Harpstedter Eisenbahn.
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"Nach zwei Jahren Mithilfe im Fahrradwagen
und beim Getränkeverkauf durfte ich schon als Schaffner tätig werden und darauf war ich natürlich
ganz stolz". Nach Erreichen der Volljährigkeit folgte
dann eine zweiwöchige Ausbildung zum Rangierer und Zugführer,
die zu der Zeit noch im Güterverkehr der DHE absolviert
wurde. "Heute bilden wir unser Personal am Wochenende während
der Museumsbahnfahrten selbst aus."
Die Mithilfe in der Werkstatt und die dort
hautnah erlebbare Technik unterstützte die Entscheidung,
ein Studium zum Maschinenbauingenieur aufzunehmen. "So habe
ich mich dann immer stärker in der Organisation der Werkstattarbeit
engagiert und wurde schließlich Werkstattleiter",
berichtet Kluwe. "Den planmäßigen Fortschritt
meines Studiums hat das übrigens nicht beeinträchtigt",
fügt er mit einem Augenzwinkern hinzu.
Inzwischen hatte sich der Verein eine Dampflokomotive
zugelegt und den Dampfbetrieb aufgenommen. Zuerst wurde die Dampflok
von Berufslokführern gefahren. Aber der Lokführer alleine
ist auf der Lok verloren, so dass Vereinsmitglieder zu Heizern
ausgebildet und geprüft wurden.
Nach zwei Jahren konnte der erste Nicht-Berufseisenbahner
seine Dampflokführerprüfung machen. Und Torben Kluwe?
"Nachdem ich schon einige Jahre Dieselkleinlokomotiven fahren
durfte, machte ich im Herbst 2000 als drittes Vereinsmitglied
meine Prüfung auf der Dampflok. Vorher waren mindestens
45 Dienstschichten als Heizer zu leisten, und natürlich
musste das Fahren auch geübt werden." Die Theorie hat
Torben Kluwe sich selber aus Büchern und aus Diskussionen
mit älteren Lokführern angeeignet.
Doch natürlich kann nicht jeder (gleich)
Lokomotivführer sein. Wie schon erwähnt, gibt es bei
der Kleinbahn viele Tätigkeiten im technischen und nicht-technischen
Bereich. Da wird geheizt, geschweißt, rangiert, gekuppelt,
Wasser und Kohle genommen, werden Weichen gestellt, Schranken
gekurbelt, Fahrkarten verkauft und kontrolliert, die Minibar
durch den Zug geschoben, Andenken angeboten, der Buffet-Wagen
ausgerüstet und besetzt, Kuchen für das Schiencafé
in Harpstedt gebacken und verkauft, Kaffee gekocht und vieles
andere mehr. Und natürlich kümmert sich jemand um das
liebe Geld und auch die Fahrpläne, das Werbematerial und
die Presse- und Internetarbeit wollen gemacht sein.
Kaum ein Hobby bietet so vielfältige
ehrenamtliche Betätigungsmöglichkeiten wie ein "kleiner"
Eisenbahnbetrieb. Appetit bekommen? Auf der Internetseite www.jan-harpstedt.de
oder unter Tel. 04244-2380 gibt es viele weitere Informationen
in Wort und Bild.
zu den Bildern:
1) Die frischgebackenen Lokführer Torben Kluwe (29) und Thorsten Lehrfeld (25) auf "ihrer" Dampflokomotive!
2) Bastian Wendt und Andreas Bramkamp in der Werkstatt
3) Vereinsvorsitzender Ralf Petersen im Dienst als Heizer
4) Unser jüngstes Vereinsmitglied Kilian verkauft Souveniers im Zug
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